Pflegeeltern für ein ganzes Leben

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Seit August 2010 sind wir Pflegeeltern eines heute fast achtjährigen Mädchens. Als wir uns entschieden haben, ein Kind zu uns in Pflege zu nehmen, wussten wir noch nicht, für wie lange das sein würde. Nachdem wir an mehreren Vorbereitungsseminaren teilgenommen hatten, wurde uns immer mehr bewusst, was es heißt, ein Kind in Pflege zu nehmen. Uns wurde deutlich gemacht, dass die Pflegschaft eventuell nur für einen kurzen Zeitraum sein oder sich über mehrere Jahre ziehen könnte, aber in jedem Fall für eine Zeit, in der das Kind unsere Unterstützung brauchen und in der wir das Kind ein Stück seines Lebensweges begleiten würden, aus welchen Gründen auch immer.

Wir haben uns entschieden, ein Pflegekind langfristig bei uns aufzunehmen. In unserem Fall bleibt das Kind wahrscheinlich bis zu seiner Volljährigkeit bei uns, was auch eigentlich unsere Wunschvorstellung war.

Und die leiblichen Eltern?

Wir denken auch an den Schmerz, den die leiblichen Eltern ertragen müssen beim Loslassen ihres Kindes. Die Gründe, weshalb ein Kind seine Eltern verlassen muss, sind vielfältig. Nicht immer steckt Gewalt, Drogensucht oder Ähnliches dahinter. Wir haben gelernt, dass die Ursprungsfamilie immer ein Teil des Kindes sein wird, egal, ob das Kind schlechte oder gute Erfahrungen gemacht hat. Je nachdem, welche Geschichte das Kind mit sich bringt, zeichnen sich unterschiedliche Verhaltensweisen ab. Wir haben festgestellt, dass unser Pflegekind immer wieder von seiner Vergangenheit eingeholt wird. In dem kleinen Kopf existieren schon viele Welten, in denen das Kind in seinem kurzen Leben schon lebte. Sie überfordern es manchmal, sodass manche Verhaltensweisen korrigiert werden müssen, wenn wir erreichen wollen, dass das Kind sich an die Regeln hält, die in unserer Familie aufgestellt wurden.     

Die ersten Monate

Die ersten Monate liefen recht harmonisch ab. Nach dieser „Anpassungsphase“ wurde es dann turbulenter. Öfters kam aggressives Verhalten zum Vorschein und so manche Angewohnheiten aus der Vergangenheit, die jetzt wieder aufflackerten, zehrten ganz schön an unserem Nervenkostüm. Mit Unterstützung des Pflegefamiliendienstes bekamen wir aber diese etwas schwierige Phase in den Griff. Uns wurde psychologische Hilfe zur Seite gestellt und wir, wie auch das Kind, wurden dadurch gestärkt. Letztendlich haben wir erkannt, dass das Kind sich nur deshalb traut, sich auf diese Weise auszuleben, weil es Vertrauen zu uns gefasst hat. Das war für uns eine schöne Erkenntnis. 

Vier Jahre gemeinsamer Lebensweg

In den nun fast vier Jahren unserer Pflegschaft gab es immer wieder Situationen, in denen wir gerne die Unterstützung des Pflegefamiliendienstes in Anspruch genommen haben. Wir haben an einigen Seminaren des Dienstes teilgenommen. An ein Seminar erinnere ich mich gerne zurück. Einer der Psychologen machte damals eine Aussage, die mich als Pflegemutter, sehr zum Nachdenken brachte: Das Wort „erziehen“ macht deutlich, dass viele Eltern versuchen, an dem Kind zu „ziehen“, es eben zu „erziehen“. Besser sei es aber, das Kind auf seinem Lebensweg zu „stützen“, zu „unterstützen“.

Ganz viel Liebe kommt zurück

Und zum Schluss noch ein Rat für alle potenziellen Pflegeeltern: Die ersten Monate sind bestimmt nicht immer einfach. Je nachdem, wie alt das Kind ist und welche Vergangenheit hinter ihm liegt, stehen schon mal Termine an, z. B. Besuchskontakte mit der Ursprungsfamilie, beim „KITZ“ oder in der „Frühhilfe“ (Psychologische Einrichtungen). Vielleicht fühlt man sich manchmal auch etwas überfordert oder steht manchen Verhaltensweisen hilflos gegenüber. Wenn das der Fall ist, sollte man sich nicht scheuen, mit dem Pflegefamiliendienst Kontakt aufzunehmen. Es wird für jedes Problem eine Lösung gesucht. Und noch etwas: Die Energie, die hauptsächlich ich als Pflegemutter in die „Unterstützungsarbeit“ beim Großwerden unseres Pflegekindes gesteckt habe, kommt in Form von ganz viel Liebe wieder zurück. Es macht mich stolz und glücklich, wenn ich sehe, wie sich das Kind dank unserer Hilfe entwickelt. Und so bleibt bei allen Mühen, Belastungen und Querelen doch eine positive Bilanz übrig.